250 Jahre Allgemeine Schulordnung in Österreich

250 Jahre Allgemeine Schulordnung in Österreich

Veranstalter
Universität Klagenfurt & BMBWF
PLZ
1010
Ort
Wien
Land
Austria
Findet statt
In Präsenz
Vom - Bis
05.12.2024 - 06.12.2024
Deadline
09.06.2024
Von
Bernhard Hemetsberger, Institut für Erziehungswissenschaft und Bildungsforschung, Universität Klagenfurt

internationale Tagung zum 250. Jubiläum der Allgemeinen Schulordnung in Österreich

250 Jahre Allgemeine Schulordnung in Österreich

Vor 250 Jahren, am 06. Dezember 1774, wurden in den österreichischen Gebieten der Habsburgermonarchie durch die Unterrichtspflicht ab dem 6. Lebensjahr Prozesse der Institutionalisierung von Schule angestoßen, die die öffentliche Schule zur zentralen pädagogischen Institution für „Kinder beiderley Geschlechts“ werden ließen. Die Überführung und Verallgemeinerung des vormals durch den Jesuitenorden maßgeblich bestimmten und geprägten Schulwesens in eine öffentliche und staatliche Aufgabe hat Maria Theresia schon 1770 den vielzitierten Ausspruch eingebracht: „Das Schulwesen aber ist und bleibet allzeit ein Politicum.“ Debatten um das Verhältnis von Schule und Religion, aber auch von gesellschaftlichen Krisenwahrnehmungen nach dem Siebenjährigen Krieg (1756–1763) und ob bzw. wie darauf pädagogisch reagiert werden könnte, waren virulent. Der Blick nach Außen, über österreichische Gebiete hinaus, besonders zu preußischen Entwicklungen unter Friedrich II. offenbarten habsburgische Problemfelder der Finanzierung der Reform und Etablierung einer allgemeinen Unterrichtspflicht (entgegen der strikteren Schulpflicht), wie auch das fehlende Lehrpersonal, Unterrichtsmaterial, Schulorganisations- und inspektionswesen und vor allem die mangelnden, flächendeckenden Schulbauten in ländlichen Gebieten.
In den staatlichen Reformen des ausgehenden 18. Jahrhunderts war die Institution Schule ein zentrales Reformanliegen. Dem katholischen Österreich waren dabei protestantische Schulkonzepte und pädagogische Ideen nicht fremd, wenngleich diese aber entsprechend ‚adaptiert‘ werden mussten. In Zeiten in denen es galt den Erwartungen gerecht zu werden, die insbesondere auch in aufklärerischen Strömungen in der Habsburgermonarchie diskutiert wurden, aber auch in der öffentlichen, medialen Debatte vorgebracht wurden, um zur ‚allgemeinen Glückseligkeit‘ und ‚wohlgeordneten Gesellschaft‘ aber auch ‚Patriotismus‘ und somit der Hervorbringung ‚nationsbewusster BürgerInnen‘ beizutragen, waren Personen wie Johann Iganz von Felbiger (1724-1788), der 2024 seinen 300. Geburtstag beginge, die markanten Impulsgeber in schul- und bildungstheoretischer sowie didaktischer Hinsicht. Felbiger wurde aus Schlesien an den Wiener Hof berufen, um den aus heutiger Perspektive als Meilenstein österreichischer Schul- und Bildungsgeschichte zu bezeichnenden Gesetzesentwurf auszuarbeiten. Internationale ideelle und konzeptionelle Einflüsse wurden dabei verarbeitet und verorten die Allgemeine Schulordnung für die deutschen Normal-, Haupt- und Trivialschulen vom 6. Dezember 1774 bis heute in einen lebendigen und fruchtbaren internationalen Diskurs der Zeit, der später auch von der Schulordnung selbst ausging.

Erwünscht sind besonders – aber nicht ausschließlich – historische, international-vergleichende, systematische und gegenwartsbezogene Beiträge zu den Themenkomplexen:

- Der Person Johann Ignaz von Felbiger (1724-1788), der mit seinen bildungs- und schultheoretischen Überlegungen im Lichte der Debatten seiner Zeit aber auch Gegenwart zu diskutieren ist.
- Den durch die Allgemeine Schulordnung entworfenen Vorstellung zum Lehrberuf, der Unterrichtsmethodik vor dem Hintergrund fehlender Lehrpersonen, internationaler Vorbilder und eigener Vorbildfunktion sowie angeschlossene kritische Stimmen.
- Zur Schulorganisation durch die Allgemeine Schulordnung in Dauer, Ausgestaltung, Lehrplänen und den Dimensionen von Geschlecht, Herkunft, Religion, u.a.m. der Lernenden sowie ihrer Spezifika, wie bsp. häuslicher Unterricht oder Privatschulgründungen, die bis in die Corona-Pandemie Wirksamkeit erhalten haben.
- Zu Nebenschauplätzen und Winkelschulwesen, die durch die allgemeinen Bestimmungen eine neue Dynamik entfalteten.
- Zu den Vorgaben im Schulhausbau und ihrer (pädagogischen) Wirkung.
- Zur Finanzierung(-sproblematik) der Allgemeinen Schulordnung.
- Zum Stadt- und Landgefälle in Schulangelegenheiten oder dem Verhältnis von Alltag (Leben) und Schule über die sozialen Schichten hinweg beispielsweise zur Bestimmung der Ferienzeiten und der damit verbundenen ‚Freizeit‘ von Lehrpersonen und SchülerInnen: Wie wurde diese Zeit genutzt und welche pädagogischen Adressierungen begegnete dieser?
- Hoffnungen und Erwartungen der Gesellschaft an die öffentliche Schule bis hin zu Enttäuschungen und Schmähungen im Diskurs und den Medien der Zeit.
- Internationale Verflechtungen, Einflüsse oder auch ‚Adaptionen‘, die nahe am Original waren, aber nicht als solche auszugeben wären wie bsp. das Konzept der Normalschule, das internationale Verbreitung fand. Oder auch das Verhältnis zu anderen Bestimmungen und Entwicklungen in Kronländern.
- Zur Wissens- und Intellektualitätsgeschichte, sowie der Einbettung der Schulordnung und ihrer ProponentInnen in die Aufklärung (habsburgischer Prägung).
- Zur Sozialgeschichte im Umfeld von 1774.
- Zum gegenwärtigen Vorwurf „die Schulen Österreichs seien aus der Zeit Maria Theresias“: fehlt der Schule Lernfähigkeit oder ist sie reformresilient, was alternative Konzepte befeuern würden oder ihnen mehr Legitimität zuschreiben würde?
- Historiographie(n) zur Geschichte der Schule in Österreich im Allgemeinen und der Schulordnung von 1774 im Besonderen. Welche Geschichten wurden geschrieben, wie wurden diese geschrieben und welche wären aus bestimmten Gründen wünschenswert?

Auch hier nicht genannte Aspekte im Zusammenhang mit der Allgemeinen Schulordnung sind willkommen. Personen in Qualifizierungsphasen und verschiedenster Disziplinen sind besonders eingeladen, Vorschläge einzureichen.

Bis zum 09.06.2024 werden via https://conference3.aau.at/e/Schulordnung Beitragsvorschläge im Umfang von max. 500 Wörtern (ohne Literatur und Quellenangaben) erbeten. Eine Kurzbiographie von ca. 150 Wörtern sollte beigefügt sein. Es ist zudem geplant, ausgewählte Beiträge in einem Tagungsband zu veröffentlichen.

Austria’s 250 Year Compulsory School Edict (Allgemeine Schulordnung)

Two hundred and fifty years ago, on December 6, 1774, processes of institutionalizing education were initiated in the Austrian territories of the Habsburg Monarchy through the Compulsory School Edict, which propelled public schooling to become the central pedagogical institution for "children of both sexes" from the age of six. The transfer and generalization of the previously Jesuit-dominated education system into a public and state responsibility prompted Maria Theresa to famously declare in 1770: "Education, however, always remains a politicum." Debates surrounding the relationship between education and religion, as well as social perceptions of crises following the Seven Years' War (1756–1763), and whether and how to respond to them pedagogically, were prevalent. Looking beyond Austrian territories, particularly towards Prussian developments under Frederick II, revealed Habsburg challenges concerning the financing of reforms and the establishment of universal compulsory education (contrary to stricter school attendance laws), as well as the lack of teaching staff, educational materials, school organization and inspection systems, and especially the insufficient, comprehensive availability of schools in rural areas.
In the governmental reforms of the late 18th century, the institution of schooling was a central concern. Protestant educational concepts and ideas were not foreign to Catholic Austria, although they needed to be appropriately "adapted." In times when meeting expectations, particularly those discussed in Enlightenment movements within the Habsburg Monarchy and raised in public and media debates, to contribute to "general happiness" and a "well-ordered society," as well as "patriotism" and thus the creation of "national citizens," individuals like Johann Ignaz von Felbiger (1724-1788), who would celebrate his 300th birthday in 2024, were significant catalysts in terms of educational and pedagogical theory and practice. Felbiger was appointed from Silesia to Vienna to draft what is now considered a milestone in Austrian school history. International ideological and conceptual influences were incorporated, placing the General School Edict for German Normal, Main, and Trivial Schools from December 6th, 1774, until today in a lively and fruitful international discourse of the time, which was later also influenced by the school order itself.

Particularly welcome – but not exclusively – are historical, international-comparative, systematic, and contemporary contributions to the following thematic complexes:

- To Johann Ignaz von Felbiger (1724-1788), whose educational and pedagogical considerations need to be discussed in light of the debates of his time as well as the present.
- The concept of the teaching profession envisioned by the General School Edict, the teaching methodology against the backdrop of lacking teachers, international models, and its own exemplary function, as well as associated critical voices.
- School organization through the General School Edict in terms of duration, structure, curricula, and the dimensions of gender, origin, religion, etc., of the learners, as well as their specifics, such as homeschooling or the founding of private schools, which have remained effective up to e.g. the COVID-19 pandemic.
- Side scenes and small private schools [Winkelschulen] that unfolded a new dynamic through the general provisions.
- The requirements in school architecture and their (pedagogical) effects.
- Financing issues of the General School Edict.
- Urban-rural disparities in school matters or the relationship between daily life and school across social strata, for example, in determining vacation times and the associated "leisure" of teachers and students: how was this time used, and what pedagogical interventions were encountered?
- Hopes and expectations of society regarding public schooling, up to disappointments and criticisms in the discourse and media of the time.
- International entanglements, influences, or "adaptations" that were close to the original but should not be presented as such, e.g. as the concept of the normal school, which found international dissemination. Or the relationship to other regulations and developments in Habsburgian Crown Lands.
- The history of knowledge and ideas, as well as the embedding of the General School Edict and its proponents in the Enlightenment (of Habsburgian imprint).
- Towards a social history in the context of 1774.
- Regarding the current accusation that "Austria's schools are stuck in the era of Maria Theresa": does school lack adaptability, or is it resilient to reforms, which would fuel alternative concepts or attribute more legitimacy to them?
- Historiography(-ies) of the history of schooling in Austria in general and the General School Edict of 1774 in particular. What stories have been written, how have they been written, and which would be desirable for certain reasons?

Additionally, aspects related to the General School Edict not mentioned here are welcome. Early Career Researchers and scholars of various disciplines are particularly invited to submit proposals.

Contributions of up to 500 words (excluding literature and source references) are requested to be submitted via https://conference3.aau.at/e/Schulordnung by 09.06.2024. A short biography of approximately 150 words should be included. Selected contributions will be published in a conference proceeding volume.

Kontakt

Schulordnung@aau.at